„Wir sind nach wie vor überzeugt vom Standort Deutschland“ – mit diesem Zitat lässt sich die neue ZF-Personalvorständin Lea Corzilius in einem aktuellen Interview zitieren. Aus Sicht der IG Metall Schweinfurt und dem Betriebsrat am Standort ist das aber nur Augenwischerei. Denn intern macht das Management gegenteilige Aussagen und plant Produktionsaufbau im billigen Ausland.
„Kürzlich fiel während der Sitzung eines Wirtschaftsbeirates der ZF die Aussage, dass der Konzern auf Sicht keine Neuprodukte für die Elektromobilität mehr in Deutschland ansiedeln will“, sagt Thomas Höhn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt. „Das ist aus unserer Sicht eine Ankündigung von enormer Sprengkraft, weil ZF damit die Zukunft der Fertigung der Elektromobilität in Deutschland und damit besonders die Fertigung am Standort Schweinfurt infrage stellt. Das nehmen wir nicht unwidersprochen hin.“
Die Belegschaft in Schweinfurt wird an diesem Freitag und kommenden Montag im Rahmen von Betriebsversammlungen über die Entwicklungen im Konzern informiert.
Das Hauptwerk des ZF-Standorts in Schweinfurt mit seinen rund 9.000 Beschäftigten ist stark durch die Elektromobilität geprägt, über 60 Prozent der Belegschaft in diesem Zukunftsfeld tätig. Hier zeigt sich besonders, dass sich die Zuliefererindustrie durch Digitalisierung und Elektrifizierung des Antriebsstrangs verändern. Aus diesem Grund hatten Betriebsrat und ZF 2018/2019 unter dem Titel SCW 2030 ein Programm vereinbart, um die weitreichenden Veränderungen proaktiv zu gestalten und den Standort wettbewerbsfähig für die Zukunft zu machen. Ziel des Programms war es, im Gegenzug zu Investitionen am Standort deutliche Einsparungen zu erzielen und damit langfristig Zukunftsperspektiven und Arbeitsplätze zu sichern. Im Winter 2023/2024 wurde das Programm SCW 2030 von ZF und Betriebsrat als erfolgreich abgeschlossen erklärt.
„ZF hat der Belegschaft in Schweinfurt in den vergangenen Jahren sowieso schon einiges abverlangt“, sagt Oliver Moll. Der ZF-Betriebsratsvorsitzende in Schweinfurt fürchtet, dass allein durch bisherige Ankündigungen von ZF mittelfristig 2.000 Stellen am Standort abgebaut werden könnten. Ein Szenario ohne Neuprodukte für die Elektromobilität in Deutschland ist bei dieser Einschätzung noch gar nicht berücksichtigt. „Die Entwicklungen und Aussagen sind wirklich besorgniserregend – gerade für den Standort Schweinfurt“, betont Moll.
Dass es jetzt auch eine entschiedene Unterstützung seitens der Politik, seitens des Oberbürgermeisters der Stadt Schweinfurt bedarf, macht Thomas Höhn von der IG Metall deutlich: „Es geht hier um den größten Arbeitgeber in der Region, es geht um Tausende Arbeitsplätze. Deshalb braucht es jetzt dringend eine gemeinsame Kraftanstrengung, um die Stärke des Standortes zu erhalten. Wenn wir jetzt nicht dagegenhalten, wird die gesamte Region darunter leiden und dauerhaft an Attraktivität und Wohlstand verlieren.“