Ergebnisse aus Gestaltungsprojekt vorgestellt
Regionalkonferenz setzt Impulse für Zukunft der Industrie in Main-Rhön

Am 21.11.2025 führte die Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit der IG Metall Schweinfurt und dem ISF München die Regionalkonferenz „RegioTransMR: Die Transformation der Industrieregion Main-Rhön gestalten“ durch.

30. Oktober 202530. 10. 2025


Die Region Main-Rhön befindet sich inmitten eines tiefgreifenden industriellen Wandels. Im Rahmen der Regionalkonferenz „RegioTransMR: Die Transformation der Industrieregion Main-Rhön gestalten“ wurden am 21. November in der Kunsthalle Schweinfurt die Ergebnisse eines einjährigen Forschungs- und Gestaltungsprojekts vorgestellt, das von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert und vom ISF München gemeinsam mit der IG Metall Schweinfurt durchgeführt wurde. „Das Projekt hat gezeigt, wie wir den industriellen Wandel in Main-Rhön konkret und gemeinsam gestalten können. Die Region hat die Menschen, das Know-how und die industrielle Stärke – jetzt braucht es den Mut, neue Wege zu gehen und die richtigen politischen Rahmenbedingungen“, betont Thomas Höhn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt.

Das Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, betriebliche, zwischen-betriebliche und regionale Lösungen und Zukunftsperspektiven für die Industrieregion Main-Rhön zu entwickeln. Durch Erkenntnisse aus einer Regionalstudie (RegioTrans-MR) verbunden mit Betriebsfallstudien in Industrieunternehmen (ZF, Schaeffler, SKF, Preh) konnten in einem sozialpartnerschaftlichen Vorgehen konkrete innovative Maßnahmen für eine nachhaltige Transformation der Industrieregion Main-Rhön identifiziert werden, die bereits heute umgesetzt werden könnten. Das Projekt liefert die Erkenntnis, dass die Region Main-Rhön über erhebliche Potenziale verfügt, um den industriellen Wandel aktiv zu gestalten – etwa durch neue Innovationsfelder wie die Raumfahrttechnologie oder die Weiterentwicklung des Kugellagers als Schlüsselprodukt. Erste Aktivitäten wurden bereits angestoßen, darunter ein Workshop zur Raumfahrt und ein regionales Chancenbild für die Kugellagerindustrie.

„Die Geschwindigkeit der Transformation in den Unternehmen zeigt, dass wir schnell gemeinsam ins Handeln kommen müssen, um Arbeitsplätze zu sichern und die Innovationspotenziale der Region auszuschöpfen. Dafür braucht es eine besonders enge Verbindung zwischen Forschung und Gestaltung – mit den Unternehmen, den Beschäftigten und den regionalen Stakeholdern“, betont Tobias Ritter, einer der am Projekt beteiligten Wissenschaftler des ISF München.

„Die Regionalkonferenz der Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit der IG Metall und dem ISF bringt die Dinge auf den Punkt: Eine Region wie Main-Rhön hat viel Potenzial“, sagt Dr. Manuela Maschke von der Hans-Böckler-Stiftung. „Die tiefgreifenden Veränderungen können bewältigt werden, wenn die Potenziale der Region erkannt und genutzt werden. Die Perspektiven der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen, die in der Region leben und arbeiten, bringen wichtige Impulse. Gemeinsam mit den Menschen können Veränderungen gelingen.“ Im Rahmen der Förderlinie Transformation fördert die Hans-Böckler-Stiftung Praxisprojekte bei denen konkrete betriebliche und regionale Anliegen mitbestimmt und wissenschaftlich begleitet werden.

Breite Beteiligung und politische Unterstützung

Die Regionalkonferenz in Schweinfurt wurde durch – zum Teil digitale – Grußworte von Christiane Benner (Erste Vorsitzende der IG Metall), Dorothee Bär (Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt), Frank Firsching (DGB-Regionsgeschäftsführer Unterfranken) und Dr. Manuela Maschke (Leiterin Förderlinie Transformation bei der Hans-Böckler-Stiftung) eröffnet. Die Wissenschaftler vom ISF München präsentierten die Studienergebnisse und konkrete Projektaktivitäten. In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten regionale und überregionale Entscheidungsträger*innen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Arbeitnehmervertretung über konkrete Perspektiven für die Region.

Zentrale Herausforderungen und Erkenntnisse

Die Studien zeigen, dass die Industrieregion vor vielfältigen Herausforderungen steht:

  • Strukturwandel insbesondere bei Automobilzulieferern und im Maschinenbau
  • Anhaltende Wirtschaftskrise (Markteinbruch in Europa und den USA)
  • Kostendruck und Standortkonkurrenz durch internationalen Wettbewerb
  • Konzerne mit Matrix-/Helix Struktur sind träge, Entscheidungsfindung ist aufwändig
  • Konzernentscheidungen sind entkoppelt von den Standortleitungen.
  • Kostensenkungsprogramme und Kappung von Innovationsbudgets sind stark verbreitet.
  • Standortbezogener Produkt- und Beschäftigungsabbau sind ein permanentes Bedrohungsszenario
  • Häufige Strategiewechsel in der Politik führen zu Verunsicherung, hohe bürokratische Anforderungen belasten die Unternehmen.

Gleichzeitig wurden große Potenziale in den Industriebetrieben und der Region identifiziert:

  • Es handelt sich um Hightech-Zulieferer mit Know-how-Vorsprüngen und hochkompetenten, motivierten Führungskräften & Beschäftigten
  • Industrialisierungskompetenz für neue Geschäftsfelder besteht, zum Beispiel in den Bereichen Raumfahrt und Kreislaufwirtschaft.
  • Innovative Technologien wie Robotik, Wasserstoff und KI sind vorhanden.
  • Aufgrund der Unternehmens- und Wirtschaftsstruktur in der Region besteht ein außergewöhnlich hohes Arbeits- und Fachkräftepotenzial mit viel Fach- und Erfahrungswissen der Beschäftigten (→ innovative Ideen), technisch einschlägige Studiengänge (THWS) und eine ausgeprägte Industriekultur
  • Starke regionale Infrastruktur (hohe Unternehmensdichte, verfügbare Gewerbeflächen, zusätzliche potenzielle Gewerbeflächen, bezahlbarer und attraktiver Wohnraum, vergleichsweise günstigere Strompreise)
  • Regionalpolitisch liegt ein hohes Interesse vor, gute Voraussetzungen für Unternehmen zu schaffen.

Sechs Handlungsfelder für die Zukunft

Aus den Erkenntnissen wurden sechs strategische Handlungsfelder abgeleitet:

  1. Aktive Betriebe im Netzwerk – durch regionale Netzwerkmanager-Tandems.
  2. Zusammenarbeit von Industrie und New Business – z. B. mit Start-ups.
  3. Ressourcen in der Region – Energieversorgung, Flächen, Know-how.
  4. Qualifizierung und Weiterbildung – insbesondere in IT und Software.
  5. Transformationsfolgen proaktiv bearbeiten – z. B. durch Gründungsförderung.
  6. Bürokratieabbau – auf kommunaler und regionaler Ebene.

Konkrete Umsetzung: Raumfahrt als Zukunftsfeld

Ein Highlight des Projekts war der Workshop zur Potenzialanalyse Raumfahrt, durchgeführt mit dem Zentrum für Telematik (ZfT) in Würzburg unter Leitung von Professor Dr. Klaus Schilling. Ziel war es, die Anschlussfähigkeit regionaler Industrieunternehmen an das wachsende Geschäftsfeld „New Space“ zu prüfen und neue Innovationspfade zu eröffnen. Im Workshop hatten sozialpartnerschaftliche Netzwerktandems aus Spezialisten und Betriebsräten der Industriebetriebe der Region die Möglichkeit, sich aus erster Hand einen Eindruck über die Möglichkeiten im Geschäftsfeld zu verschaffen. Neben einem detaillierten Überblick über die Anforderungen an Produkte und Technologien sowie die Marktentwicklung im Geschäftsfeld konnten die Teilnehmer*innen bei einem Rundgang auch Einblicke in die Fertigung und Labore am ZfT erhalten. Insgesamt sechs Betriebe, die zusammengenommen mehr als 20.000 Arbeitsplätze in der Region stellen, nutzten diese Möglichkeiten. Der boomende New Space Sektor bietet aktuell vielfältige Potenziale und Marktchancen auch für Quereinsteiger. So ermöglicht die Satellitenkommunikation beispielsweise, auch abgelegene Gebiete zu erreichen – selbst dort, wo der Ausbau am Boden wirtschaftlich nicht rentabel ist. Solche Anwendungen können einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur digitalen Teilhabe leisten.